… ALLES IST SCHWER .

Ich gehe soweit, wie ich sehen kann. Und wenn ich dort ankomme sehe ich, wie ich weitergehen kann. 

Beschwerlich auf der Suche nach meinem Weg, habe ich zusammen mit meinem jüngsten Sohn den ersten Schritt in Richtung Kontakt in die Gesellschaft gewagt.

Wir haben eine Ausbildung zum Rettungshelfer gemacht. Das war für mich gut umsetzbar, da der Kurs wenige Teilnehmer hatte. Das anschließende Rettungswachen-Praktikum zur Anerkennung zeigte mir allerdings, dass eine so ungeregelte Aufgabe aktuell für mich viel zu schwierig zu bewältigen ist. Die letzten zehn Jahre einen täglich zeitlich durchgetakteten Rhythmus zu leben macht es mir schwer, ich brauche eine Regelmäßigkeit. 

Nichts desto trotz, bin ich jetzt Rettungshelferin!

Immer wieder falle ich in dieses Loch, denn was immer in den allerletzten Stunden geschieht, kann viele Wunden heilen und gleichzeitig in unerträglicher Erinnerung verbleiben. 

Und dennoch hab ich auch einiges geschafft. Ich habe Termine, die meiner Genesung oder einfach der Vorsorge dienen, abgehandelt. Noch nie in meinem Leben habe ich so viel Zeit in ärztlichen Wartezimmern für mich verbracht. Hauptsächlich, um doch noch Erfolg zu haben mit meinem Antrag auf die Trauerkur. Dementsprechend beim Hausarzt, Psychotherapeuten, Neurologen, Augenarzt, Zahnarzt und Frauenarzt. Und siehe da, meine Trauerkur ist bewilligt. Zwar an einem anderen Ort als es mir so vorschwebte und auch noch wochenlang in die Zukunft terminiert, aber immerhin.

Ich lasse mich krankschreiben, nur weil ich es jetzt mal kann. Nicht, dass es irgendetwas nützen würde, denn ich war ja pflegende Angehörige. Ich habe keinen Anspruch auf Krankengeld, ich habe nach wie vor keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld sondern muss mich beim Job Center um das Bürgergeld bemühen. Es fällt schwer, sehr schwer und ich wäre froh, wenn unsere Gesetzgebung das bedingungslose Grundeinkommen einführen würde. Ich empfinde es als demütigend. Und schliesslich scheitert mein Plan auch. Ich schaffe es einfach nicht, die Unterlagen rechtzeitig abzugeben. Ich bin oft wie gelähmt …

Bisher schaffe ich es eben nicht, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, alles überfordert mich. Und schon gar nicht in meinem Beruf als Physiotherapeutin.

Nach meinem Widerspruch und Vorlage aller ärztlichen Bescheinigungen aus dem ambulanten System, was zur Bewilligung meiner Trauerkur geführt hat, gibt es nun auch einen genauen Termin. Es soll der 20.12.2023 sein und natürlich über Weihnachten und Silvester hinweg. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr meine Vorfreude endlich in meinem Schmerz gesehen zu werden, meine Trauer, (existenziellen) Nöte, Sorgen über meine Zukunft  in einem angemessene Rahmen teilen zu können mit einem Mal verpufft war. Es gibt immer diese allerersten Male nach einem traumatisierenden Ereignis. Und da gehört Weihnachten und Silvester definitiv dazu. Es ist das Fest der Familie, die einerseits nicht mehr komplett und andererseits allein gelassen wird.

Stefan fehlt…….und fehlt……und fehlt. Ich versuche, die schönen Erinnerungen aufleben zu lassen. Er war ein Abenteurer wie ich auch. Dazu bin ich über etwas Passendes gestolpert:
‚Für einen gut vorbereiteten Geist ist der Tod nur das nächste große Abenteuer‘

Vorbereiten mussten wir uns tatsächlich öfter in den letzten Jahren.
So bleibt mir die Hoffnung, dass im neuen Sein ein Abenteuer wartet. 

Und vielleicht gibt es auch für mich ein berufliches Abenteuer 🤷‍♀️, welches sich mit unserer tollen Zisa vereinbaren lässt. Sie ist schließlich seit zehn Jahren Familienmitglied und war bisher nie alleine zu Hause. 

Ich möchte noch eine sehr liebe Dozentin einer Pflege-Schule erwähnen. Sie lädt mich nach wie vor (auch nach Stefans Tod) ein, um ihren Schülern und Schülerinnen einen Einblick in die Situation häuslich Pflegender zu geben. 

Und da sehe ich eine sehr sinnvolle Aufgabe für mich. 

Abschließend kann ich sagen: „Leben mit einer Depression ist besonders jetzt, wo die Zeit der Düsternis, der Regentage, der Stürme beginnt, sehr sehr schwer auszuhalten. Ich kann mich kaum motivieren, meinen Haushalt zu führen und klebe stundenlang am Sofa fest, selbst wenn der Magen für andere hörbar knurrt. Ich denke dann schon ‚ich sollte was essen weil ich Hunger habe‘, aber ich fühle es nicht 😢

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3 Responses

  1. Liebe Heike, wir kennen uns nicht. Ich lebe in der Schweiz und habe gerade eure berührende Geschichte auf. YouTube gesehen.
    Du beeindruckst mich sehr. Deine Ausdauer, dein Humor, deine Liebe und Hingabe, deine offene und ehrliche Art. Danke, dass ich mich davon berühren und inspirieren lassen darf. Ich wünsche dir von Herzen Liebe und Fürsorge für dich. Von dir und von Menschen die sich so um dich kümmern wie du es für Stefan getan hast! Ja, das wünsche ich dir von Herzen! Du darfst dein Leben feiern! Du bist eine wundervolle, schöne Frau!

    Lieb grüsst dich
    Nathalie

  2. Liebe Heike,

    auch ich habe gerade die bewegende Dokumentation gesehen und möchte dir alles, alles Liebe und Gute wünschen. Mir fehlen einfach die Worte, wie sehr mich deine Liebe, Mut und Kraft beeindruckt hat. Ich wünsche mir vom tiefsten Herzen, dass immer mehr kleine Funken von Sonne wieder in dein Leben einkehren.

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